Schraube beim Umweltschutz nicht überdrehen

Schraube beim Umweltschutz nicht überdrehen

Passen Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg zusammen? Das ist nur eine von vielen Fragen, die BZ-Redakteur Sven Kauffelt Jan-Frederic Bierbaum, einem von zwei Geschäftsführern des Textil-Herstellers, zum Thema Industrie und Klimaschutz gestellt hat. Die Firma Bierbaum gehört zu den ältesten Industrieunternehmen in Borken.

BZ: Herr Bierbaum, passen Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg zusammen?

Bierbaum: Interessante Frage, auf die ich keine einfache Antwort habe. Ich würde sagen: Es gibt einige Punkte, die das erschweren.

BZ: Welche?

Bierbaum: Wir stehen im internationalen Wettbewerb. Der größte Teil der Bettwäsche, die in Deutschland verkauft wird, kommt jedoch aus Asien. Und dort liegt man bei den Umweltschutzstandards unter unseren Standards. Der Strom wird zum großen Teil aus Kohle produziert, die Abwasser- und Ablufttechnik sind rudimentär. Das ist rein finanziell ein erheblicher Nachteil für uns, den wir aber in Kauf nehmen, weil uns selbst sehr daran liegt, die Umwelt zu schützen.

BZ: Trotzdem sind Sie ja im härtesten Wettbewerb überhaupt erfolgreich, nämlich als Lieferant bei den Discountern. Wie machen Sie das dann?

Bierbaum: Das geht nur über große Mengen, denn nur so rechnen sich große vollautomatische Maschinen und die im Vergleich höheren Personalkosten. Die Kunden haben hohe Ansprüche an die Qualität. Dazu gehören Zertifikate zur Umweltverträglichkeit, zu sozialen Standards und vieles mehr. Das haben wir durch eine Vielzahl an Maßnahmen erreicht, die wir in den vergangenen Jahren umgesetzt haben. Diese Leistung wird von vielen unserer Kunden honoriert.

BZ: Also gelingt der Spagat zwischen Nachhaltigkeit und wirtschaftlichem Erfolg.

Bierbaum: Ja, weil wir kontinuierlich unsere Produktion weiter entwickeln mit gut ausgebildeten Mitarbeitern und einzigartigen Maschinen.

BZ: Können Sie das dauerhaft halten?

Bierbaum: Mit Blick auf die Bundestagswahl habe ich da ein paar Fragezeichen. Egal welche Koalition es am Ende wird, der Ausstoß von CO2 in der Produktion wird verteuert. Das ist mit der CO2-Abgabe schon beschlossen, die 55 Euro pro Tonne ab dem Jahr 2025 betragen soll. Die Forderungen gehen ja zum Teil noch höher. Wir haben einen CO2-Ausstoß von etwa 18.000 Tonnen pro Jahr, die Abgabe alleine kostet uns also einen siebenstelligen Betrag pro Jahr, der durch Erstattungen aus der Carbon-Leakage-Verordnung im jeweiligen Folgejahr teilweise gemildert wird.

BZ: Wie reduzieren Sie den Ausstoß konkret?

Bierbaum: Durch eine Reihe von Maßnahmen. Wir sind natürlich selbst daran interessiert, unseren Energieverbrauch so weit wie möglich zu reduzieren, was immer auch zu einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes führt. Bestes Beispiel ist unser Blockheizkraftwerk, das allein 5000 Tonnen CO2 pro Jahr einspart. Jetzt haben wir nochmal eine Photovoltaikanlage installiert, sowie viele weitere Maßnahmen, die durch unser zehnköpfiges Energieteam erarbeitet worden sind. Unser Unternehmen ist klimaneutral. Nicht vermeidbare CO2-Emissionen werden durch zertifizierte Waldprojekte in Peru ausgeglichen. Trotzdem bedeutet die CO2-Abgabe Mehrkosten gegenüber Wettbewerbern aus anderen Ländern.

BZ: Was müsste passieren, um das auszugleichen?

Bierbaum: Das könnte man einerseits durch eine Abgabe regeln, so dass zum Beispiel jede Bettwäschegarnitur aus diesen Ländern wiederum mit gleichen zusätzlichen Kosten belegt wird. Da traut sich die Europäische Union aber nicht ran aus Sorge vor einem Zollkrieg, der dann auf andere Produkte ausgeweitet werden würde. Dabei wäre es aus meiner Sicht nötig, die Industrie in Europa zu schützen, denn sonst ist die Konsequenz, dass noch mehr Produktion verlagert wird in Länder mit deutlich niedrigeren Umweltschutzstandards. Um bei uns zu bleiben: Bettwäsche von Bierbaum verbraucht im gesamten Herstellungs- und Transportprozess 29 Prozent weniger CO2 als Bettwäsche im internationalen Durchschnitt.

BZ: Fühlen Sie sich benachteiligt?

Bierbaum: So wie es aktuell ist, ist es weitgehend okay. Wie gesagt: Wir tragen unseren Beitrag zum Klimaschutz gerne und aus Überzeugung. Und wenn wir das nicht könnten, wären wir ja auch nicht mehr da. Hinzu kommt, dass wir hier die besten Mitarbeiter bekommen und uns in Sachen Innovation und Automatisierung gut entwickeln können. All diese Punkte zusammen machen Deutschland zum besten Umfeld, das man in der Welt finden kann. Wenn aber die Politik nun zu sehr an der Umweltschraube dreht, dann kann es passieren, dass wir hier nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Am Ende müssen wir Geld verdienen und zusehen, dass wir nicht mehr Geld ausgeben als wir vom Kunden bekommen.

BZ: Die Konsequenz wäre eine Abwanderung ins Ausland?

Bierbaum: Für bestimmte Produktionsprozesse möglicherweise. Wir haben es geschafft, über 125 Jahre in etwa dieselbe Zahl an Beschäftigten in Borken zu halten. Trotz der Konkurrenz in Asien, deren Stundenlöhne heute bei einem Bruchteil von unserem liegen. Wir sehen in mehr Nachhaltigkeit eine große Chance für unser Unternehmen und wir können uns an vieles anpassen. Wir brauchen dafür aber Planungssicherheit und ein gemeinsames Verständnis, dass Deutschland ein erfolgreicher Industriestandort bleibt.

BZ: Wie wäre denn ihr Gegenvorschlag zu den genannten Regelungen? Weiter wie bisher?

Bierbaum: Nein, ganz im Gegenteil. Es muss etwas in Sachen Klimaschutz passieren, das ist völlig unstrittig. Aber ich glaube, dass es zielführender wäre, wenn man nach den großen Quellen für den CO2-Ausstoß gucken würde. Nur ein Beispiel: Ich habe kürzlich einen Beitrag gesehen, der erklärt hat, wie man global effektiv CO2 sparen könnte. Das wirksamste war demnach, alte Kohlekraftwerke in Entwicklungsländern wie Indien oder Südafrika durch hochmoderne Anlagen zu ersetzen. Deutschland verfolgt eines der ehrgeizigsten Klimaschutzprogamme weltweit, effektiver Klimaschutz funktioniert aber nur global.

 

Quelle: https://www.borkenerzeitung.de/lokales/borken/Schraube-beim-Umweltschutz-nicht-ueberdrehen-363566.html

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